Kalendergruß von Karl Gerok
(geb. 1815 in Vaihingen an der Enz, gest. 1890 in Stuttgart,
deutscher Lyriker und Theologe)
Zum Neuen Jahr – Kalendergruß (Psalm 90, 2)
Zum neuen Jahr den alten Vater,
Des starker Arm die Welten hält;
Er hat sein Volk seit grauen Tagen
Auf Adlersflügeln treu getragen,
Ihm sei die Zukunft heimgestellt;
Zum neuen Jahr den alten Vater,
Des starker Arm die Welten hält!
Zum neuen Jahr den neuen Segen,
Noch Wasser gnug hat Gottes Born!
Harrt fröhlich sein, ihr Kreaturen,
Bald deckt er die beschneiten Fluren
Mit grüner Saat und goldnem Korn;
Zum neuen Jahr den neuen Segen,
Noch Wasser gnug hat Gottes Born!
Zum neuen Jahr die alten Sorgen,
Noch sind wir nicht im Jubeljahr;
Noch wallen wir auf Pilgerwegen
Berg auf und ab in Sonn und Regen;
Noch gilts zu kämpfen immerdar;
Zum neuen Jahr die alten Sorgen,
Noch sind wir nicht im Jubeljahr!
Zum neuen Jahr ein neues Hoffen,
Die Erde wird noch immer grün;
Auch dieser März bringt Lerchenlieder,
Auch dieser Mai bringt Rosen wieder,
Auch dieses Jahr läßt Freuden blühn;
Zum neuen Jahr ein neues Hoffen,
Die Erde wird noch immer grün!
(Karl Gerok, Palmblätter, 1881, S. 100–101)